14.11.2024

„Das sind bestimmt die Wechseljahre“

Ellen(3)

So oft hat Ulla diesen Satz von ihren Freundinnen und auch von ihrem Hausarzt gehört. Langsam fühlt sie sich wie eine Hypochonderin. Sie ist Ende 50 und liebt ihren Beruf als Grundschullehrerin, sie genießt die Urlaube mit ihrem Mann, arbeitet gerne im Garten und verbringt viel Zeit mit ihren zwei kleinen Enkelkindern. Bis auf eine beginnende Osteoporose, die sie versucht, mit viel Bewegung, gesunder Ernährung und Medikamenten, im Griff zu haben, war sie bislang immer gesund. Doch dann fangen die Schmerzen an: zunächst in den Schultern und sie denkt zuerst, dass sie sich bei der Gartenarbeit übernommen habe. Dann werden die Schmerzen immer stärker und treten auch rund um die Hüften auf, nachts schmerzt ihr ganzer Körper und an guten Schlaf ist nicht mehr zu denken. Ihr Hausarzt kann nichts feststellen und schickt sie zum Orthopäden.

Die Röntgenaufnahmen bringen kein Ergebnis, doch sie kann sich nicht recht darüber freuen, da die Schmerzen immer stärker werden. Mittlerweile kommt sie morgens nur mit Mühe aus dem Bett, weil sich der Körper ganz steif anfühlt, nachts schwitzt sie stark und manchmal hat sie auch ein bisschen Fieber. Sie fühlt sich krank und erschöpft. Ihr Arzt schreibt sie krank und schickt sie zu ihrer Frauenärztin, weil er ihre Symptome mit den Wechseljahren in Verbindung bringt. Aber auch die Gynäkologin hat keine Erklärung und gibt Ulla den Rat, es einmal bei einem Rheumatologen zu versuchen. Ulla versucht es in vielen rheumatologischen Praxen, aber sie bekommt keinen Termin. Zufällig erfährt sie, dass im Nachbarort ein Rheumatologe eine Praxis eröffnet und sie kann endlich einen Termin vereinbaren. Schnell wird klar: Ulla leidet nicht an den Wechseljahren, sondern die Symptome, die körperliche Untersuchung und alle Blutwerte sprechen dafür, dass sie von der sogenannten Polymyalgie Rheumatica (PMR) betroffen ist. Sie bekommt Kortison verschrieben und auch, wenn sie viel Respekt vor diesem Medikament hat, nimmt sie es nach Verordnung ein und schnell geht es ihr deutlich besser.

Sie freut sich darauf, wieder arbeiten zu können, merkt aber schnell, dass sie noch lange nicht wieder gesund ist: sie bemerkt  Nebenwirkungen des Kortisons wie z.B. Gewichtszunahme, ihre Haut wird an vielen Stellen dünner und ihr Magen reagiert gereizt. Außerdem steckt sie sich häufiger als früher mit Infekten an. Sie möchte das Kortison gerne reduzieren, aber das ist nicht so einfach. Eine
schwierige Zeit beginnt für Ulla, die immer wieder mit Rückfällen zu kämpfen hat, aber auch um den Verlust ihres früheren gesunden Lebens trauert. Zudem hat sie viel gelesen und die Angst davor, eventuell auch noch eine Riesenzellarteriitis zu bekommen, lähmt sie teilweise. Angst hat sie auch, dass durch das Kortison ihre Osteoporose sich verschlimmert.

Durch eine Bekannte erfährt Ulla von der Rheuma-Liga NRW und nimmt Kontakt auf. Sie erhält viele Informationen und lernt andere Menschen kennen, denen es ähnlich geht. Diese Gespräche helfen ihr, wieder mehr Zuversicht zu entwickeln und die Diagnose letztlich anzunehmen.

Kurz erklärt:
Bei der „PMR“ (Polymyalgia Rheumatica) handelt es sich tatsächlich um die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung bei Erwachsenen nach dem 50. Lebensjahr. Sie betrifft bevorzugt Frauen und tritt meistens ab dem 50. Lebensjahr auf. Bei bis zur 21% der Betroffenen kommt es vor, dass sie auch an einer Riesenzellarteriitis erkranken. Häufige Symptome einer PMR sind starke
Muskelschmerzen, vor allem beidseitig in den Schultern und im Beckengürtel. Zusätzlich leiden die Betroffenen unter nächtlichen Schmerzen, Morgensteifigkeit und allgemeiner Erschöpfung. Dazu können auch Fieber und Nachtschweiß kommen, ebenso wird von Gelenkschmerzen und Sehnenentzündungen berichtet. Nicht selten leiden PMR Patient*innen auch an Depressionen. In der Diagnostik

fallen besonders die erhöhten Entzündungswerte im Blut auf.

Bei der Riesenzellarteriitis handelt es sich um eine autoimmunbedingte Entzündung der großen und mittelgroßen Blutgefäße, wie zum Beispiel der Schläfenarterie, der Halsarterie oder der Aorta. Auch hier sind Menschen ab dem 50. Lebensjahr betroffen, besonders häufig trifft es Menschen um das 70. Lebensjahr. Der Beginn ist meistens sehr plötzlich, so dass die Betroffenen sich innerhalb von Tagen oder Wochen schwer krank fühlen: Müdigkeit, Gewichtsverlust, Nachtschweiß und Fieber treten auf. Dazu kommen starke Schmerzen im Gesicht oder eine überempfindliche Kopfhaut, ebenfalls kann es zu Schmerzen beim Kauen und zu Muskelschmerzen in den Armen kommen. Als

Alarmsymptome gelten Sehstörungen wie Gesichtsfeldausfälle oder Doppelbilder und auch die massiven Kopfschmerzen (vor allem in den Schläfen) sind unbedingt ernst zu nehmen, da Erblindung und Organinfarkte drohen. Deshalb ist ein schneller Therapiebeginn zwingend notwendig, die Prognose ist vom schnellen Handeln abhängig.

Als Therapie stehen für die PMR in erster Linie Kortison zur Verfügung, manche betroffene werden auch (off label) mit MTX behandelt. Bei der RZA wird auch mit einem sogenannten Biologikum behandelt.

Weitere Infos dazu gibt es u.a. hier.