20.02.2025 Der Wolf ist ein Chamäleon: Mein Leben mit systemischem Lupus erythematodes Meinen Krankheitsbeginn kann ich nur erahnen, da es viele Jahre – vermutlich 15 Jahre – gedauert hat, bis ich die Diagnose erhielt. In diesen Jahren war ich bei vielen Ärzten: Orthopäden, Frauenärzten, Internisten, doch entweder ich hatte nichts und würde mir alles einbilden, oder es wurde als ungewöhnlich eingestuft und ich müsse halt damit leben, oder man fand etwas und machte sich über die Ursachen keine Gedanken. Bei meinen Freunden und in der Verwandtschaft wurde aus anfänglichem Bedauern bald ein Unverständnis, verbunden mit dem Rat, mir doch Hilfe für meine scheinbar psychosomatischen Beschwerden zu suchen. Keine neue Idee – einige Ärzte hielten dies auch für die einzige Möglichkeit. Schmerzen in Muskeln und Sehnen, eine enorme Müdigkeit, die mich mehrmals täglich befallen konnte und sich nicht durch Schlafen besserte, Wortfindungsstörungen, gynäkologische Probleme, immer weitere Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Fructose, Sorbit, Histamin), eine starke Sonnenunverträglichkeit – das und noch viel mehr entwickelte sich im Laufe der Jahre nach der Geburt meines zweiten Kindes. Hier zeigte sich schon das typische Merkmal des „Wolfes“: es gibt nur wenige typische Symptome, wie ein Chamäleon versteckt er sich und lässt sich kaum finden. Ich fühlte mich häufig schlecht, konnte keinen Sport mehr treiben, sagte ständig Verabredungen kurz vor Beginn ab, lag auf dem Sofa und war weiterhin überzeugt, dass es einen körperlichen Grund für das Ganze geben musste. 3 Tage nach einem Sommerurlaub in Frankreich kam ich als Notfall ins Krankenhaus, da sich mein Gleichgewichtssinn vollständig verabschiedet hatte. Versorgt mit hochdosiertem Kortison i.V. wurde ich nach einer Woche entlassen mit dem Hinweis, meine Wirbelsäule checken zu lassen. Ergebnis: 2 Bandscheibenvorfälle, aber keine überzeugende Erklärung für den Schwindel. Ein halbes Jahr später sagte mir mein Physiotherapeut, als ich weiterhin neurologische Ausfälle hatte, ich solle mich beim Neurologen auf Multiple Sklerose testen lassen. Das Ergebnis hieß „keine MS, aber ungewöhnliche Antikörper“, ich solle doch mal zum Rheumatologen. Ein erster Rheumatologe stellte keine Entzündungszeichen und keine Schwellungen der Finger fest und schickte mich mit dem Satz: „Sie haben kein Rheuma“ nach Hause. Nach ausgiebiger Internetrecherche kam ich auf die Möglichkeit, dass ich einen systemischen Lupus haben könnte. Gezielt suchte ich mir einen anderen Rheumatologen, der angab, dass er diesen behandeln würde. Bereits in der ersten Sprechstunde traf ich auf Verständnis und erhielt Kortison. Wenige Tage später ging es mir bereits so viel besser!! Es erfolgte eine zusätzliche Einstellung auf Quensyl und später auch noch MTX-Spritzen. Ein halbes Jahr nach dieser ersten Sprechstunde konnte ich endlich wieder meinen Hobbies nachgehen, einen Minijob ausüben und Verabredungen einhalten! Aus der anfänglichen Diagnose „undifferenzierte Kollagenose“ wurde aufgrund genauerer Antikörperbestimmungen und Symptomauswertungen ein „Systemischer Lupus“. Mit diesem lebe ich jetzt offiziell seit 14 Jahren zusammen. Es gibt weiterhin Schübe, die nicht sehr schwer sind und die ich mit einer Kortisonerhöhung in den Griff bekomme. Ursachen für die Schübe sind meist nasskaltes Wetter, zu viel oder zu unbedeckt Sonne und Stress. Glücklicherweise habe ich bisher nur eine ganz geringe Nierenbeteiligung., die mich nicht beeinträchtigt. Ich nehme weiterhin viel Rücksicht auf meinen Lupus und ermögliche uns beiden vor allem ausreichende Ruhezeiten. So können wir ganz gut miteinander leben. Steckbrief systemischer Lupus erythematodes (SLE): Seltene, entzündlich-rheumatische Erkrankung. Der Name „Lupus“ (lat. = Wolf“) geht wohl auf den Hautlupus zurück, der unbehandelt vor allem im Gesicht Narben hinterlassen kann, die an Wolfsbisse erinnern. Tritt der Lupus „systemisch“ auf, sind die Entzündungen nicht auf die Haut begrenzt, sondern können Muskeln, Sehnen, Nerven und Organe befallen. Häufig sind eine Nieren- und/oder Herzbeteiligung, eine Verschlechterung bzw. ein Schub nach Sonnenexposition und eine Hautrötung am Körper, zum Beispiel im Gesicht, die die Form eines Schmetterlings hat. Betroffene sind deshalb auch auf die Betreuung durch diverse Fachärzt*innen angewiesen: neben der Rheumatologie spielen Kardiologie und Nephrologie eine Rolle, aber auch Hautärzt*innen sind oft mit in die Behandlung eingebunden. Der systemische Lupus Erythematodes trifft überwiegend Frauen: 9 von 10 Patient*innen sind weiblich. Am häufigsten sind Frauen zwischen dem 20. Und 40. Lebensjahr betroffen. Der Lupus gehört zur Gruppe der sog. Kollagenosen. Weitere Autoimmunerkrankungen, die dazu gehören, sind u.a. die Systemische Sklerose (früher: Sklerodermie), die Polymyositis und Dermatomyositis, das Sjögren-Syndrom und die Mischkollagenosen (Sharp-Syndrom). Basismedikamente sind Hydroxychloroquin und Methotrexat (MTX) als Tablette oder Spritze. Kortison hilft im Schub und wird ausgeschlichen oder nur auf geringem Niveau genommen. Neuere Medikamente / Biologika helfen bei schwereren Verläufen mit Organbeteiligung. Viele Infos, praktische Tipps und immer ein offenes Ohr finden Betroffene bei der Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft e. V.: www.lupus.rheumanet.org teilen E-Mail teilen teilen teilen